Freitag

Die Märkte nehmen Italien und Belgien ins Visier

Jeden Tag stellen Politiker wie Märkte immer dieselbe Frage: Welches PIIGS geht als nächstes pleite? Hauptkandidaten in diesen Tagen sind Italien und Belgien, beide in einer massiven politischen Paralyse, angesichts derer die Märkte zweifeln, ob den Ländern eine Rückzahlung ihrer riesigen Schuldenberge möglich sein wird. Beides, Schuld und politische Unsicherheit sind  Markenzeichen für Italien wie Belgien aber im Unterschied zur euro-freien Zeit können beide Länder sich keine Luft mehr durch Abwertung von Lira und bPfund verschaffen. 
Das Krisenprofil ist eindeutig: viel zu viel Schulden machen beide Staaten überaus anfällig, dass sie als nächste von der PIGS-Pleitenkrise angesteckt werden. Schon immer waren die Staatsschulden in Italien hoch (immerhin 118 Prozent des italienischen BIP = die zweithöchste Schuldenziffer in Europa nach Griechenland) und das niedrige Wirtschaftswachstum hat diese Situation noch verschärft. Ausserdem steht die traditionelle Wirtschaftsäule Italiens, die Industrieproduktion, unter verstärktem Globalisierungsdruck. Kein Wunder, dass die Finanzmärkte Italien testen. Der Testrahmen dabei ist, dass Italiens Staatsdefizits 5% beträgt gegenüber nur 1% Wachstum, so dass die Märkte zweifeln ob Italien jemals wieder sein Staatsbudget in Ordnung bringen kann, so dass es irgendwann mal seine Zahlungsunfähigkeit erklären muss. Die akute Staatskrise Italiens verschärft noch die Situation: Die politischen Analytiker zweifeln ob Berlusconi die bald anstehende Vertrauensfrage überstehen wird.
Belgien steckt gleichfalls in einer langen zähen politischen Krise: Bei der letzten Wahl haben die Separatisten großen Zulauf bekommen, und das Land hat schon seit über sechs Monaten keine funktionsfähige Regierung mehr. Früher sind die Finanzinvestoren über solche Probleme hinweggegangen, aber in diesen Wochen nicht mehr. Stattdessen kletterten die Kosten für Staatsanleihen auf ein 10 Jahres-Hoch, und bald könnte das bekannte Acronym PIIGS sich in "PIIBGS" wandeln. Und immer noch spielen die belgischen PolitikerInnen munter  weiterhin mit dem Feuer, indem sie nach wie vor offen über eine Aufspaltung des Landes diskutieren. Und angesichts des Schuldenstands von Belgien = 100% des BIP bekommt die Frage großes Gewicht, wie dieser Schuldenstand unter den belgischen Nachfolgestaaten Flamen und Wallonien aufgeteilt wird. Schließlich sind die belgischen Banken die grössten Gläubiger im Benelux-Raum. Lehrreich: Die Märkte beobachten in diesen Wochen höchst genau jedes Land und wenn sie eine Schwäche entdecken, greifen sie an.
(Referenz: Liz Alderman in der heutigen IHT)

korrupt, korrupter, afghanistan


Bestechung, Erpressung und Veruntreuung sind in Afghanistan laut
Wikileaks-Veröffentlichungen an der Tagesordnung. Das Ausmaß ist
für US-Diplomaten in Kabul schockierend. So kabelte die US-Botschaft
im vergangenen Januar, lediglich ein Minister in Kabul stehe nicht unter Verdacht von Korruption und Vetternwirtschaft. Schwere Bedenken wurden erneut gegen Staatspräsident Hamid Karsai laut. Ein Regierungsvertreter in Kabul hat staunenden Diplomaten ein „Vier-Stufen-Modell“ der Korruption in Afghanistan erklärt. Demnach wird bei amerikanischen Hilfsprojekten gleich vierfach abkassiert: 


1. wenn in Bauvorhaben ausgeschrieben wird 
2. wenn der Auftrag vergeben wird
3. während des Baus und
4. wenn das Projekt eingeweiht wird


(Referenz: FTD heutiges online newsupdate)


Und für so einen Korruptionssumpf Krieg führen, fragt der Blogger.

Welch ein Segen für die Transparenz: Wikileaks ist web-gerettet

Heutiges FTD-Newsupdate online um 17h:



Die Schweiz gewährt Wikileaks Asyl. Seine Dokumente können nun glücklicherweise weiterhin über eine CH-Internetadresse eingesehen werden: das Enthüllungsportal ist nun über wikileaks.ch erreichbar. Registriert hat die Adresse dankenswerterweise die Schweizer Piratenpartei. Auch der Domainname wikileaks.li (für Liechtenstein) ist bereits gesichert. So leicht geht Informations-Unterdrückung nun doch nicht mehr im Internetzeitalter. Dem Web sei Dank. 

Was Württemberg in D von Hellas in der EU unterscheidet

Eines meiner Kernargumenten, warum wir zur Zeit in den Abgrund des Scheiterns des Euro blicken, ist bekanntlich, dass vor knapp einem Jahrzehnt Paris und Berlin in einem Art Eurorausch manisch vorschnell das Projekt einer europäischen Währung vorangepeitscht haben, ohne das zu berücksichtigen, was nicht nur für jeden aufgeweckten Wirtschaftswissenschaftler, sondern bereits für jeden Tourist mit wachen Augen, der die so unterschiedlichen Euro-Staaten bereist, nach wenigen Tagen evident ist: 



Europa ist kein homogener wirtschaftlicher und politischer Kontinent,  sondern ein Konglomerat ganz verschiedener Volkscharaktere, Völkergeschichten, Wirtschaftsphilosophien - von Sprachen - noch nicht einmal alle in Europa sind indogermanisch - Essenskultur und die Auffassungen, was eine angemessene Zeitdauer von Mittagsruhe betrifft, ganz zu schweigen. 


"What is the phone number of Europe!, fragte Kissinger bissig-ironisch zurecht, als Europa noch nicht mal den Balkankonflikt in seinem eigenen Hinterhof angemessen managen konnte, sondern nur gelähmt hilflos auf - na auf wen wohl? natürlich: - die Bomberjets der sonst so von den europäischen Diplomaten meist von oben arrogant betrachteten USA warteten, die das taten, wozu 30+ europäische Staaten in jahrelangem diplomatischen Klein-Klein nicht fähig waren: nicht weiter ständig nur rumzulabern, sondern endlich zu HANDELN.


Nun entschieden Kohl und Mitterand für den Euro natürlich nicht über den Wolken schwebend nur europaideologisch oder europaverrückt, als sie die Münzprägemaschinen für die Einheitswährung anwerfen ließen. Hinter ihnen standen selbstverständlich handfeste kapitalistische Interessen: Mit dem Euro ließen sich in Europa natürlich bessere Profite machen und man konnte sich auch von Europa aus gegen die anderen kapitalistischen Zentren wie USA und Japan viel besser positionieren. Das war für die Pro-Euro Lobby Grund genug, die wirtschaftlichen Unterschiede der Euro-Länder mir nicht dir nichts auszublenden. Ein Kontinent, eine Währung, Reichtum für alle. Na ja, wenn schon nicht für alle dann wenigstens für die Profiteure. 


Da wollten man sich die gemeinsame Währungseuphorie auch nicht mit dem Hinweis auf die gravierenden Defizite offensichtlich ungeeigneter Euro-Beitragskandidaten madig machen. Vorsätzlich gefälschte Wirtschaftsstatistiken, die den Beitrittskriterien nicht genügen? - aber bitte doch nicht kleinlich sein, es geht doch um unseren Götzen Euro, da sind keine Zweifel erlaubt. Ein Ausmaß an Korruption, die in den Euro-Kernländern die ganze Justiz lahmlegen würden? Nur nicht zimperlich sein, das ist halt mediterrane Lebensart. Steuerhinterziehung bis der Staat pleite geht? Man kann doch in Athen nicht mit dem deutschen Einkommensteuergesetz unterm Arm rumspazieren. 


Und so geschah der Konstruktionfehler des Euro: Eine Währungsuniform ohne irgend einen auch nur angenäherten Konsens, welche Normen an Ethik, Recht, Wirtschaftspolitik, oder Firmenverhalten diese divergierenden Euro-Staaten zusammenhalten sollten. Bei keinem dieser Kriterien gab es zu Beginn des Euro Konsens, es gibt ihn bis heute  nicht und ob es ihn jemals mal geben wird, steht hoch in den Sternen. Eine Schönwetter-Währung wurde geboren, in einer Euphorie ihrer Reißbrett-Konstrukteure, die weder einen Gedanken an das know how eines eventuell späteren notwendigen Exit noch an Risiken und Währungskrisen verschwendete, getreu dem kölnischen Faschingsvers: Et is ja immer jut jejange, jut jejange, jut jejange. 


 Nun fliegt der Bluff einer angeblichen harmonischen Währungsunion auf. Wenn ich in diesem Krisenzusammenhang auf diesen Konstruktionsfehler hinweise, der solch divergierende Staaten und ihre auseinanderdriftenden, gar konträren Finanz- und Wirtschaftspolitiken wie - um nur drei solcher völlig ungleichen Geschwister zu nennen -  Frankreich und Irland, Deutschland und Griechenland oder Niederlande und Portugal hinweise, wird mir entgegengehalten dass es ja gerade die Hoffnung sei, dass der Euro-Raum schrittweise immer uniformiert würde. 


Na ja, viel zu sehen ist davon zur Zeit nicht, man muss schon in sehr sehr langen Hoffnungszyklen denken, um sich angesichts der PIIGS noch eine hoffnungsvolle Euro-Perpektive einzusuggerieren. "Aber", sagen die Euro-Euphoriker, "Deutschland ist doch auch nicht homogen, und kein Mensch kommt auf die Idee, in Sachsen-Anhalt die Währung ab- und in Bayern aufzuwerten". Und das soll nun auch für den Euro-Raum als ganzen gelten. "Wir sitzen doch alle in einem Boot" wird dann meist so schön gesagt wird. "Ein Boot" mag ja geografisch so sein, aber die Insassen haben eben ganz unterschiedliche Kursinteressen, sind unterschiedlich geschulte Skipper, haben verschiedenen Ausbildungsstand als Matrosen. 


Bei einem direkten Vergleich Baden-Württemberg/Sachsen-Anhalt versus Deutschland/Griechenland wird der Denkfehler der Euro-Harmoniker deutlich: Wenn die BürgerInnen in Dessau Steuerhinterziehungen in großem Stil versuchen würden, die Regierung in Magdeburg massiv korrupt wäre oder das sachsen-anhaltinische Landesamt für Statistik sich mit drastischen Fälschungen vorsätzlich einen zu großen Happen am deutschen Länderausgleich erschleichen würde, dann wär das Geschrei in Stuttgart und Mannheim nicht zu überhören. 


Aber schon längst bevor die fleissigen, ehrlichen, sparsamen Schwaben überhaupt schreien oder zum Bundesverfassungsgericht eilen müssten, hätte natürlich das deutschlandweite einheitliche Strafgesetzbuch und die länderübergreifende Steuerfahndung zugeschlagen. Und genau an diesem Beispiel wird die Sackgasse des Euro-Raums deutlich. Egal wie steuerdiszipliniert sich ein Deutscher benimmt oder wie unbestechlich französische oder belgische Beamten agieren, gegen die massive Steuerhinterziehung in den Athener Reichenviertel oder die generelle Volksseuche Korruption in Griechenland kommt keine EU gegen an. 


Solange das so bleibt, wird der Euro den ersten wirklichen Krisentest wie jetzt nicht bestehen. Ja schlimmer noch: Nach einer von unverantwortlichen PolitikerInnen hochgeputschten Euro-Wahn werden die Völker Europas nach dem Scheitern des Euro umso fataler in bedenklichen Neo-Nationalismus zurückfallen. Schröder und Chirac hinterlassen kein gutes Euro-Erbe, sondern einen brisanten politischen Scherbenhaufen. Man sollte besser keine Straßen nach ihren Namen benennen.

Hellas abgewertet

aus Eurointelligence News Briefing von heute:

S&P hält das neue Gläubigerregime nach Deutschlands Gnaden für im diamentralen Gegensatz zu den Interessen der privaten Anleihehalter und stellte folgerichtig Griechenland unter downgrade-Beobachtung.

S&P glaubt dass das "Merkel-Schuldenrestrukturierungs-Regime" nach politischen Kriterien greifen wird und nicht unter Finanzaspekten. Das gefährdet die privaten Anleger. Auf das statement von S&P öffneten sich die spreads für Hellas erneut. 

Ohne Euro = Ohne EU?

Financial Times FT.com

Philip Stephens stellt in der gestrigen FT.com das Euro-Debakel in einen 
europapolitischen Kontext. Neonationalismus ist wieder im Vormarsch. 
Nicht in Form von marschierenden Armeen, aber so, dass immer mehr die 
Schuldfrage an der finanziellen Katastrophe, die wir jetzt erleben, gestellt wird. 
Schon spricht die irische Regenbogenpresse von dem Ablösen des britischen
 Kolonialismus über Irland durch die EU und den IMF. Deutschland wiederum will 
nicht der Zahlmeister wirtschaftsunfähiger PIIGS sein.

Noch verteidigt Merkel formell den Euro. Aber sie 
ist von den Märkten längst durchschaut. Sie trauen 
ihren mantrahaft wiederkehrenden statements nicht
 mehr. Sie merken, dass der Verteidigungswille 
Merkels für den Euro und die EU erodiert. Darauf
 spekulieren sie nun, um Merkels Pro-Euro-Getöne
 als Bluff zu enttarnen. Schon das lange Zögern der Bundeskanzlerin, das Pleiteland Griechenland
 auszuzahlen, war verräterisch. Ebenso Merkels
 wachsweiche Haltung in der Frage der
 Irland-Sanierung. Natürlich: Merkel blickt mit einem Auge auf die WählerInnen,
 die nicht länger bereit sind, Milliarden von deutschen Euros für unfähige,
 Immobilienblasen erzeugende Wirtschaften und unterkapitalisierte bad banks
 zu verbrennen und die ihr im nächsten deutschen Superwahljahr einen derart
 gewaltigen Denkzettel zu verpassen drohen, dass sich der Baron schon jetzt
 als möglicher Nachfolger tüchtig warmläuft. Und mit dem anderen Auge guckt
 sie nach Karlsruhe und fragt sich, wann das Bundesverfassungsgericht der
 Erosion unseres Grundgesetzes nicht mehr länger ,,tatenlos zusieht, sondern dem Souveränitätsuntergang Deutschlands Einhalt gebietet, egal was die PIIGS sagen.
 Und so markiert nun Merkel eine ganz deutsche Politikstärke, indem sie mehr und
 mehr die Sanierungsregeln für den Euro diktiert.

Wenn ein Pleitier einem anderen Pleitier Geld leiht

Die irischen Banken haben sich am Immobilienmarkt verzockt. Aber jetzt kommt raus, das sie als Banken eines PIGS-Landes selber wieder Gläubiger für andere PIIGS-Länder sind. Das mag was werden, wenn der Schlamassel auffliegt. Pleite Banken leihen pleiten Banken. 



Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat dafür Zahlen präsentiert: Irische Banken haben Richtung Italien über 40 Milliarden Dollar verliehen und sind damit Italiens fünftgrößter Kreditgeber. Den gleichen Rang als Kreditgeber nehmen sie in Portugal und Griechenland ein, in Spanien liegen sie auf Platz sieben – dabei ist Irland gemessen am BIP nur 
der fünfzehntgrößte EU-Staat.
(Referenz online-FTD von heute)